Porträts
Was heisst es im Alltag? Wie bringen sie die anspruchsvolle und zeitaufwändige Haltung eines Maultiers mit dem Privat- und Erwerbsleben unter einen Hut? Welche Erfahrungen machen sie mit ihren Tieren?
Mit diesem Portrait versuchen wir all diesen Fragen auf den Grund zu gehen.
Wir lieben Mulis, weil...
Zengalo mit Thomas Isler zu Hause in Dättlikon Hier habe ich sehr viel Freunde, Ouessant-Schafe, Skuddenschafe, 2 Hunde, 5 Katzen – und natürlich meine dicken Kollegen, die zwei Esel Luna und Primeli und die zwei Stuten Hechicera (Friese) und Lea (Haflinger). Mit dem stolzen eingebildeten True Blue (Vollblut xx) habe ich es nicht soo.. gut. Er mag mich nicht. In den Sommernächten gehen ich und die Pferde zusammen auf die Weide und am Tag dösen wir im dunklen, fast fliegenfreien Stall, schlagen uns gegenseitig den Schweif um die Ohren oder wälzen uns auf der Gummimatte an der prallen Sonne.
Wir gehen dann viel mit unseren Menschen in den Fluss (Töss) baden. Ich habe es eher wie die Esel, schaue das Wasser gerne vom Land an, aber unter Protest gehe ich fast bis zum Bauchnabel hinein; meine Kollegen, die Pferde, schwimmen. Aber die sind auch ein bisschen komisch. Nach diesem Bad gehe ich mich mit vollem Genuss im Sand wälzen. Am meisten mistet (Morgen und am Abend) und füttert (sobald wir im Chor um Futter heulen) uns Regula Isler. Sie ist auch die, die den ganzen Betrieb schmeisst.
Wollt ihr wissen, wie ich zu dieser Familie kam?
Damals als ich vier war, suchte mich Regula Isler im Wallis bei Stefan Schweizer aus. Ich war dort noch ein Lämmchen, kam dann zur unerfahrenen Familie Isler. Dort benahm ich mich sofort wie ein Teufel, da musste Thomas viel lernen. Kurz bevor ich wieder zurück nach Ernen ins Wallis geschickt werden sollte, versuchte es Thomas noch einmal. Er kam mit einer alten Hockeyausrüstung, durch einen Schnaps im Mute gestärkt, und setzte sich auf mich. Sofort begann ich wieder zu bocken, aber er wollte einfach nicht mehr hinunterfallen. Und so gab ich es für (leider nur fast) alle Zeit auf und durfte hier bleiben. Zwar konnten mich die Kinder, für die ich vorgesehen war, nicht reiten, aber dafür reitet mich jetzt Thomas, und wenn er mal wieder Knieschmerzen hat, versuch ich es sofort, ihn runterzuschmeissen, aber sonst benehme ich mich gut. Wenn jemand Angst hat oder zögerlich ist, merke ich das sofort und spiele ziemlich üble Spiele mit ihm.
Mit Maui Isler gehe ich oft am Flussdamm entlangbrettern. Das ist unser bestes Training für das Bauernpferderennen in Schwarzenburg. Damit ich keine Flausen mache, macht Thomas immer, wenn er mit mir reiten geht, Bodenarbeit nach Pat-Parelli-Art.
Thomas mag mich wahrscheinlich, weil ich ihn soo lieb anschauen kann, und ich bin herdentauglich, flexibel in der Haltung, brauche keine Eisen und mit mir kann man herumstrolchen wie man will, im Wald und überall, ja man kann sogar durchs Pferdeverbot, weil ich ja kein Pferd bin!!!
Ich habe Thomas viel beigebracht. Seit er mit mir trainiert hat, hat er seine Schüler auch gleich im Sack.
November 2008, Maui Isler
- Horath Monica, Wallmatt, 6042 Dietwil.
Meinen Lebensunterhalt verdiene ich mit drei verschiedenen Tätigkeiten:
Zum einen stehen in meinem Stall vier Pensionspferde, die ich betreue (misten, füttern etc.), zum anderen erteile ich Reitunterricht an Reiterinnen mit eigenen Pferden. Dazu fahre ich jeweils auf deren eigenen Reitplätze. Bidana, mein Maultier, verdient ihr Futter mit einigen Longenstunden, Anfängerunterricht und begleiteten Ausritten.
Mein drittes „Standbein“ ist ein Architekturbüro, auf welchem ich allgemeine Büroarbeiten ausführe. - Bidana ist jetzt 12 Jahre alt. Sie stammt vom Eselhengst Bitonto ab, Mutter Diana war eine Schweizer Warmblutstute. Weil diese Stute vom Warmbluthengst nicht mehr tragend wurde, liess sie der Besitzer „aus Jux“ mit einem Eselhengst decken. Und siehe da – es klappte auf Anhieb. Ich habe Bidana als Fohlen gekauft, weil sie so „herzig“ war.
Damals war ich mir noch nicht bewusst, was das noch alles nach sich ziehen würde. Sie durfte zusammen mit Gleichaltrigen auf einer grossen Fohlenweide aufwachsen. Im Alter von drei Jahren ist sie in meinen Stall gekommen. Mit Bodenarbeit und auf Spaziergängen haben wir uns näher kennen gelernt. Danach habe ich sie nach klassischer Reitweise angeritten und ausgebildet. Die ersten zwei Jahre habe ich sie Barfuss geritten. Aber nachher musste ich sie beschlagen lassen, da sie die Hufe zu stark und zu einseitig abgelaufen hatte.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten (ich meinte, dass man ein Maultier wie ein Pferd ausbilden könnte!), entwickelte sie sich aber nach und nach zu einer echten „Allrounderin“. Sie ist für die verschiedensten Aufgaben geeignet:
Dressur, Springen, Gelände, als Lehrmuli für Anfänger und Fortgeschrittene, Patrouillenritte, Gymkhanas, TREC. -
In meinem 180 Jahre alten Bauernhaus leisten mir die Katzen Pringel, Simba und Salsa Gesellschaft. Ich musste sie mit der Milchflasche aufziehen, da ihre Mutter, als sie zwei Wochen alt waren, von einem Auto überfahren wurde. Meine drei Büsis bedeuten mir sehr, sehr viel. Draussen schaut Kater Tito, dass sich die Mäuse und Spatzen nicht allzu sehr vermehren.
Ein wichtiges „Familienmitglied“ ist Lars. Ich habe ihn vor knapp drei Jahren gekauft. Er ist jetzt sechs Jahre alt und verbringt den Tag zusammen mit Bidana auf dem gemeinsamen Auslauf und die Nacht als ihr Boxennachbar.
Er ist immer darauf bedacht, sich nicht zu weit von ihr zu entfernen. Jenach Bedarf nehme ich Lars oder Bidana beim Ausreiten als Handpferd mit. Die beiden verstehen sich sehr gut, wobei Lars ganz klar der Chef ist. Beim Züchter hat Lars als Dreijähriger erfolgreich an Promotions-Fahrturnieren teilgenommen, als Vierjähriger klassierte er sich für den Dressur-Freibergerfinal in Avenches. Als nächstes Ziel werde ich ihn, zusammen mit Elik, dem Freiberger von einer befreundeten Familie, vor die Kutsche spannen, damit wir gemeinsame Ausflüge unternehmen können. - Ich verdiene meinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit dem Erteilen von Reitunterricht. Man kann also diesbezüglich schon sagen, dass ich ein Profi bin. Maultiere gibt es in meinem Umfeld (ausser Bidana) keine. Ich setze Bidana auch für Reitunterricht ein, vor allem für Anfänger. Da sie sehr ruhig und verkehrssicher ist, nehme ich sie oft mit ängstlichen oder ungeübten Reitern als Handmuli mit ins Gelände. Wenn ich nicht mit Kunden unterwegs bin, ist für mich Reiten (vor allem am Wochenende) immer noch mein liebstes Hobby.
- Da ich insgesamt sechs Tiere zu versorgen habe, bin ich pro Tag ca. zwei Stunden mit misten und füttern beschäftigt. Bidana wird fast täglich bewegt. Sie wird entweder für Longenunterricht oder begleitete Ausritte eingesetzt. Das bedeutet für sie etwa eine bis zwei Stunden Beschäftigung pro Tag (inkl. Putzen etc.). Wenn keine Kundschaft erwartet wird, reite ich sie meistens im Gelände.
- Da ich als „Wanderpredigerin“ Reitunterricht erteile, bin ich ziemlich unregelmässig zu Hause. Ich habe gute Erfahrungen gemacht, nicht immer genau zur gleichen Zeit zu füttern. So sind die Pferde ruhiger und warten geduldig aufs Futter. Auch wenn ich etwas später komme, gibt’s keinen „Radau“. Sie freuen sich dann nur noch umso mehr. Ich füttere 4x täglich, d.h. morgens ca. 7.00 Uhr (im Sommer 5.00 Uhr), mittags, abends und in der Nacht. Den Nachtstall mache ich frühestens um 22.00 Uhr. Dabei gibt es viermal Heu und zweimal Kraftfutter. Bidana bekommt täglich ca. 1.5 kg ganzen Hafer und Mineralstoffe.
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Bidana verbringt den Tag zusammen mit dem Freiberger Lars auf einem grossen Auslauf mit Unterstand oder auf der Weide. Sie wird drei- bis viermal pro Woche im Gelände geritten. Besonders gut eignet sie sich als Longenmuli für Anfänger.
Mit Bidana kann man die Ausritte so richtig geniessen, da sie weder scheut, noch davonrennt. Man muss sie jedoch immer wieder zum “Vorwärts Marschieren“ aufmuntern. Ich nehme mit ihr auch an Patrouillenritten teil, wo sie alle Aufgaben mit sehr viel Geduld löst und weder Büchsengerassel noch Flattervorhänge scheut.
Was nicht so ihr Ding ist, sind die Mulirennen. Sie hat dafür zu wenig Ehrgeiz und auch keine Lust, hinter den anderen her zu rennen. Sie wurde noch nie eingespannt und der Bastsattel liegt unbenutzt auf dem Estrichboden! - An Bidana schätze ich besonders ihre Umgänglichkeit. Sie ist mit allen Menschen sehr freundlich und im Gelände äussert zuverlässig. Es macht ihr nichts aus, mit verschiedenen Reiterinnen und Reitern unterwegs zu sein.
- Früher habe ich sehr viele junge Pferde ausgebildet. Ein Maultier auszubilden war für mich um einiges schwieriger. Man muss viel mehr Geduld, Ausdauer und Zeit haben. Das Maultier ist aber im Unterschied zum Pferd ruhiger und weniger schreckhaft. Die ausserordentlichen Fähigkeiten des Maultiers kommen vor allem im Gebirge durch seine Trittsicherheit zur Geltung. Wer noch nie Erfahrungen gemacht hat mit einem Esel oder Muli, dem würde ich vor einem Kauf eine Art „Praktikum“ bei einem Muli-Halter empfehlen. Abraten von der Mulihaltung sollte man denjenigen, die meinen, ein Muli sei völlig anspruchslos und könnte problemlos ohne Vorkenntnisse oder Ausbildung geritten und gefahren werden oder deren höchstes Ziel ist, mit viel „Action“ durch die Gegend zu rasen
- 1995, kurz nach dem Kauf von Bidana, bin ich der IGM beigetreten. Ich hatte keine Ahnung von Maultieren. Anfangs eher als „passives“ Mitglied, hat sich erst nach dem Eintritt in den Vorstand in meinem Leben viel verändert. Jetzt erst musste ich mich mit den Eigenarten und der Entwicklung des Maultieres befassen. Das Interesse wurde in zahlreichen Begegnungen mit den verschiedensten Muli-Menschen erst richtig geweckt. Nach und nach habe ich immer mehr über die Maultiere erfahren und so mein Wissen erweitert. Zahlreiche Stunden beschäftige ich mich mit dem Verfassen des Mitteilungsblattes. Auch die Mitarbeit im Vorstand nimmt viel Zeit in Anspruch. Dank dem guten Verhältnis untereinander gibt es dadurch interessante und abwechslungsreiche Begegnungen.
- Über Bidana und mich gibt es keine spektakulären Geschichten zu erzählen.
Ungewöhnlich ist vielleicht, dass sie wirklich für alle Sparten der Reiterei eingesetzt werden kann, und dass sie mit ihren 164 cm auffällig gross ist. Die Zuverlässigkeit von Bidana, ihre Sanftheit gegenüber ängstlichen und ungeübten Reiterinnen, machen sie zu einem aussergewöhnlichen Maultier - Die IGM habe ich an der BEA/Pferd kennen gelernt. Im Jahr 2004 haben wir in Elgg an einer Prüfung für Freiberger und Maultiere teilgenommen.
Bruno Lötscher ist Tierarzt und lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Brienz BE. Seit seiner Jugend haben ihn die Esel ganz besonders interessiert. Zur Zeit beleben diverse Hühner, ein Hund, vier Esel und ein Maultier die Weiden und den Stall auf der Sonnseite des Brienzersees.
Bruno hat uns gebeten, statt eines Porträts seinen Bericht „Auf den Spuren von Robert Louis Stevenson“ auf der Homepage zu veröffentlichen. Viel Vergnügen beim Lesen!
Auf den Spuren von Robert Louis Stevenson
oder mit dem Maultier durch die Wildnis Frankreichs
In einem französischen Eselheft entdeckten wir einen Beitrag über den „Stevensonweg“ in Frankreich. Ein Wanderweg, benannt nach dem englischen Schriftsteller Robert Louis Stevenson. Dieser brach am 22. Sept. 1878 auf, um zusammen mit der Eselin Modestine auf einer Reise durch die wilden Naturlandschaften des südlichen Frankreichs seinen Liebeskummer zu vergessen. Uns trieb weniger der Kummer als die Liebe zur Natur. So begannen wir bereits im Sommer, unsere zweiwöchige Reise im Herbst vorzubereiten. Wir (Bruno und Franziska) wollten zu Fuss wandern, mit einem kleinen Tagesrucksack ausgerüstet, und Djamila, unser 5-jähriges Maultier sollte unser Gepäck tragen. Alles wurde aufs Notwendigste reduziert, es sollte jedoch möglich sein, irgendwo im Wald zu übernachten. So kam eine Packung von ca. 50 kg zusammen (inkl. Packsattel der Sattlerei Althaus, ausgestattet mit zwei Packsäcken von „The North Face“). Um Druckstellen vorzubeugen, unterlegten wir das Ganze mit einem grossen, sehr dicken Filzpad. Nun konnte das Training beginnen: Schwere Bündel Brennholz wurden transportiert, daneben Verladeübungen und immer längere Transporte im Anhänger. Dieser diente auch als Fressstand, sodass Djamila auch selbständig „Einsteigen“ üben konnte, was sie genoss. Während dieser Zeit waren wir oft froh, aufgetretene Probleme noch zu Hause beheben zu können. All diese Vorbereitungen waren zwar aufwändig, wurden uns aber durch eine erholsame und genussvolle Reise entschädigt.
Sonntag, den 24. September
Heute ist „Muli-Märt“ im Ballenberg. Wieder werden sie wach, die Erinnerungen. Hier, vor genau einem Jahr, war unsere Djamila am Seil zum Verkauf angebunden gewesen...!
Es bleibt in diesem Jahr leider nicht viel Zeit, um Freunde zu begrüssen, denn heute Abend soll alles bereit sein. Zuerst müssen unsere 4 Esel an ihren Ferienplatz bei Brigitta und Mäge in Meiringen gebracht werden. Wie wird Djamila reagieren, plötzlich alleine? Sie überrascht uns alle: Ruhig bleibt sie bei ihrem Heunetz, kommt nicht einmal aus dem Stall.
Montag, den 25. September
Morgens um 5.30 Uhr Tagwache. Djamila blinzelt verschlafen in unsere Stirnlampen. Der in der Dunkelheit etwas anders aussehende Transporter verwirrt sie zuerst ein bisschen, doch um 6.00 Uhr rollen wir ruhig zum Tor hinaus.
Unser erstes Ziel ist der Autobahnzoll in Genf. Ich bin etwas unruhig. Irgendwie verpasse ich den Schweizer-Zoll, die freundliche französische Zöllnerin schickt uns zurück. Doch im Gewirr der orange-weissen Absperrhütchen ist das Wenden mit Anhänger etwas schwierig. Jedenfalls möchte die immer noch sehr freundliche Zöllnerin das orange-weisse Ding unter dem Anhänger wieder zurückhaben. Beim Schweizer-Zoll ist gerade Kaffee-Pause, auch hier sind alle sehr freundlich. Was denn ein Maultier sei, werde ich gefragt. Aha, ein Esel; kein Problem! Sehen möchten sie ihn aber nicht. Nur das Carnet ATA wollen sie ausfüllen. Dann zurück zur französischen Zöllnerin. Diese weiss genau, dass ihre schweizerischen Kollegen immer vergessen, das Datum einzutragen und beschränkt sich darauf, dies nachzuholen.
Nun sind wir in Frankreich. Es dauert aber noch etliche ermüdliche Stunden, bis wir in Langogne, dem heutigen Ziel, unser Gefährt zum Stehen bringen. Wir übernachten in einem kleinen Hotel am Ufer des Naussac-Stausees. Weit und breit keine Menschenseele. Hier dürfen wir auch unser Auto lassen für 1 Euro pro Tag. Djamila blickt sich etwas steif, aber doch neugierig um. Wir bringen sie auf die vorgesehene Eselweide hinter dem Hotel. Etwas lustlos stöbert sie im dürren Gestrüpp und riecht an den überall vorhandenen Pferdeäpfeln. Da entdeckt sie die Nachbarspferde. Jetzt ist es um ihre und unsere Ruhe geschehen. Die ganze Nacht über stösst sie ihre inbrünstigen Sehnsuchtsschreie aus und jagt mit wilden Bocksprüngen in ihrem Gehege umher.
Dienstag, den 26. September
Etwas schwierig wird es auch am nächsten Morgen: Djamila würde viel lieber auf die riesige Koppel ihrer neuen Pferdefreunde, als dieses dumme Gepäck aufzuladen. So fliegt zuerst alles in hohem Bogen davon. Will sie denn nicht mitkommen? Nun, unsere Reise beginnt dann doch, obwohl Djamila auf den ersten 5 Kilometern mindestens 5 Pferde und 2 Esel entdeckt, bei denen sie unbedingt ihre Ferien verbringen will. So sinken wir gegen Mittag ziemlich erschöpft ins Gras. Doch ohne Bewegung kriecht schon bald die Kälte in unsere Glieder. Wir befinden uns auf einem Hochplateau, 1200 m. ü. M. Es bleibt uns nichts anderes, als weiterzuziehen. Die Wälder werden immer wilder und der Boden immer sumpfiger. Djamila scheint ihr Schicksal akzeptiert zu haben und folgt uns brav. Im Weiler Cheylard l’Evêque hoffen wir in der Gîte übernachten zu können, da ein kalter Wind aufkommt. Doch alles ist verriegelt. „Fermé éxcéptionalement“. Ein Schild, das uns noch mehrmals begegnen wird. Wir müssen noch einen Hügel überqueren, bis wir am Ufer eines Flusses einen windgeschützten Viehunterstand finden, inmitten einer riesigen Weide. Wir stellen unser Zelt auf den Mist in den Unterstand, kochen ein Risotto mit frischen Birkenpilzen, die hier überall aus dem Boden schiessen. Djamila weidet zufrieden auf der grossen Weide, welche auf einer Seite durch den Fluss, auf der anderen durch einen stabilen Zaun abgegrenzt ist. Plötzlich entdeckt Franziska Djamila auf der anderen Seite des Flusses stehend: Nass bis zum Kopf, aber glücklich, die weite Welt (vor allem die Nachbarskühe) auf eigene Faust zu erkunden. Wir lernen zwei Dinge: 1. Jeden Abend Elektrozaun aufbauen ist weniger anstrengend, als Muli einzufangen. 2. Djamila kann ohne Probleme Wasser durchqueren.
Mittwoch, den 27. September
Der Morgen erwacht mit Nebelschwaden, Djamila wartet bereits auf ihre 125 Gramm gequetschten Hafer und verzehrt auch gleich den Rest unseres warmen Haferbreis. Rasch ist alles zusammengeräumt, verpackt und aufgeladen. Djamila ist total brav. Wir achten auf genaueste Gewichtsverteilung: Beide Packsäcke werden mit einer Federwaage abgewogen. Unser Mut steigt wieder beträchtlich und schon bald wärmen uns die ersten Sonnenstrahlen. Wir kommen an einem paradiesischen, kleinen See vorbei. Hier wäre das Übernachten ein Traum gewesen! Schon bald steigen wir ab zum Schloss von Luc, auf dessen Ruine heute eine grosse Madonna steht. Weiter geht’s im Talboden bis Laveyrune. Der Weg führt überall durch von Wildschweinen umgepflügte Felder. Zu Gesicht bekommen wir aber keine. Kurz vor der Mittagsrast begegnen wir einem Pony-Hengst, mit dem Djamila sofort die Theorie über die Unfruchtbarkeit der Maultiere überprüfen will. Dies hat zur Folge, dass ich die zwei folgenden Stunden Pause mit Aufpassen verbringe. Denn der Elektrozaun beeindruckt Djamila im Moment nicht. Dazu kommt noch, dass es kaum Gras hat, alles ist von den Schafen kahlgefressen. Mit schon fast keinen Essensvorräten mehr machen wir uns wieder auf in Richtung La Bastide Puylaurent. Dort soll es einen Laden geben. Wir freuen uns. Zuvor gelingt uns eine Überquerung einer Weide voller neugieriger Schafe recht gut, ebenso die anschliessende Flussdurchquerung. Allerdings kommen uns die Wegmarkierungen etwas seltsam vor. Durstig erreichen wir eine wunderschöne Hochebene. „La Mourade“ steht auf einem Schild. Oh nein! Wir haben das Dorf verpasst! Zwar sind wir jetzt bereits eine halbe Tagesetappe weiter, unser Essensrucksack ist aber noch immer fast leer. Tja, nichts zu machen! Wir ziehen also weiter und finden bald eine kleine Wasserquelle mit einer schönen Wiese daneben: Ein idealer Zeltplatz. Mit zwei grossen Parasol-Pilzen, die wir gefunden haben, können wir schliesslich auch unsere Mägen füllen. Leider galoppiert Djamila plötzlich davon, in der Meinung, irgendwo Pferde zu finden. Als sie jedoch nur Kühe antrifft, kommt sie dann doch wieder mit uns zurück. Ein unkomplizierter Bauer, der vorbeikommt, um seine riesigen Viehbestände zu kontrollieren, bietet uns an, Djamila über Nacht in seinem Rinderkorral unterzubringen. Für uns eine ideale Lösung.
Donnerstag, den 28. September
Ein strahlender Morgen, Ovomaltine mit dem letzten Milchpulver, wir brechen unser Zelt wieder ab. Nun geht es bergab Richtung Chasseradès. Welch schöne Überraschung: Ein offenes Restaurant! Da es sowieso bald Mittag ist, binden wir Djamila auf einer saftigen Wiese an einen Pfahl und treten voller Vorfreude ins Restaurant ein. Wir studieren gerade die Menukarte, als Djamila sich plötzlich wie wild gebärdet, schlägt, steigt und sich auf den Boden wirft! Kolik? Sofort bin ich bei ihr: Wespen! Djamila ist voller Wespen! Ich will ihr helfen, versuche sie loszubinden, werde auch gestochen, wir beide laufen weg. In Panik galoppiert Djamila auf das Teersträsschen, rutscht, fällt und wird 15m über den heissen Teer geschleudert. Erschrocken sehe ich, wie Spuren aus Fleisch, Fell und Blut auf der Strasse immer länger werden. Es ist schrecklich! Sie tut mir so leid! Schliesslich schafft sie es, aufzustehen und rast davon, ich per Autostop hinter ihr nach. Als ich sie nach etwa 1.5 km einhole, ist sie völlig verängstigt, jede Heuschrecke versetzt sie erneut in Panik. Aber es gelingt mir, sie einzufangen, und nach fünf Minuten wird sie ruhiger. Sie ist froh, wieder bei uns zu sein. Aber was ist mit all diesen Wunden und den vielen Stichen? Natürlich habe ich Medikamente mitgenommen, doch kann sie noch Gepäck tragen? Wir sind ratlos. Hinter dem Restaurant finden wir eine kleine Weide, die uns Gelegenheit gibt, Djamila genauer zu untersuchen. Wespenstiche scheinen in der Sattellage keine zu sein. Die offenen Wunden sind zwar tief, bluten aber nicht stark.
Wir versuchen, endlich etwas zu essen. Danach, ruhiger, bepacken wir Djamila vorsichtig. Ohne Anzeichen von Schmerz beginnt sie schliesslich, mit uns weiterzutrotten. Immer wieder begutachten wir ängstlich ihre Wunden und sprayen Fliegenabwehrmittel darum. Plötzlich: „Achtung Schlange!“ Ich bin mit Djamila vorbeigegangen, ohne sie zu bemerken. Erst Franziska hinter mir hat sie entdeckt. Die Augen der Schlange sind geschlitzt: giftig! Schon wieder zittrige Knie...! Auf der nächsten Wiese stellen wir den Elektrozaun auf. Wir haben eine Pause nötig. Zwei französische Wanderer überholen uns. Sie haben schon seit Tagen unsere Spuren verfolgt und freuen sich, uns nun zu sehen. Es gäbe eine Herberge im nächsten Weiler, berichten sie. So machen auch wir uns wieder auf den Weg. Als die Sonne gerade rot glühend hinter dem Horizont verschwindet, erreichen wir die „Gîte les Alpiers“. Der herzlichen Herbergsmutter tut es furchtbar leid, dass sie kein freies Zimmer mehr hat. Dafür dürfen wir im nahen Wald unser Zelt aufschlagen, ihre Dusche benutzen und um 19.30 Uhr gibt es Nachtessen mit Muscheln. So kriechen wir spätabends, versöhnt mit dem Schicksal, in unsere warmen Schlafsäcke.
Freitag, den 29. September
In dichtem Nebel brechen wir noch etwas klamm unser Waldlager ab, füttern Djamila mit Buchenblättern, wägen noch sorgfältiger als gewöhnlich die Packsäcke ab und beladen Djamila. Bald erreichen wir „le Bleymard“. Welch Glück: Ein Supermarkt! Djamila erhält einen grossen Bund Karotten und unsere Vorratssäcke werden wieder prall gefüllt.
Der Weg schlängelt sich nun durch uralte Gässchen den Hang empor, verlässt das Städtchen, führt über sanfte Ackerfelder und wird zusehends steiniger. Die Sonne verdrängt allmählich den Nebel und schon bald sind wir froh um jedes kühle Lüftchen. Vor uns der höchste Punkt der Reise: der Mont Lozère, 1700 m. ü. M.. Unendlich scheinende karge Hochebenen. Ein erhitzter Hirsch wechselt direkt vor uns über die weite Steinsteppe. Djamila würde natürlich am liebsten hinterher jagen. Wir folgen den schlanken Granitsäulen, die hier schon seit Jahrhunderten als Wegmarkierung dienen. Und dann schon wieder ein Hirsch! Der Fotoapparat ist leider erst einsatzbereit, als der Hirsch nur noch als kleiner Punkt am Horizont zu erkennen ist. Der Abstieg vom Mont Lozère in Richtung Süden ist abschnittweise sehr steil und schwierig, mehr Bachbett als Weg. Djamila platziert vorsichtig ihre Hufe, belastet langsam, denn das lose Geröll rollt unter ihrem Gewicht ständig weg. Wir sind froh um das Hintergeschirr, die Packung hält felsenfest. In Finiels, ein paar in der wilden Steinlandschaft verirrten Häuschen, füllt uns ein alter Bergbauer die leeren Feldflaschen mit selbstgepresstem Most. Stolz zeigt er uns den seit langem verstaubten Pferdestall. Kaum sind wir wieder zum Dorf hinaus, ein Schild: Vorsicht freilaufende Rindviecher! Als wäre dies nicht schon genug, verwandelt sich auch der Weg wieder in einen Sturzbach von Felsblöcken und verborgenen Wurzeln. Als wir unten in der tiefen Schlucht ankommen, durchströmt uns ein Gefühl der Dankbarkeit: Djamila hat alles so gut gemacht! Plötzlich entdecken wir einen idealen Zeltplatz: Saftiges Gras, daneben ein Bach, ein flaches Plätzchen für das Zelt. Kurze Zeit später erfüllt ein Suppenduft die Luft...
Samstag, den 30. September
Djamila begrüsst uns am Morgen erwartungsvoll: sie will ihre Haferration und geniesst die anschliessende Morgentoilette. Vorsichtig werden ihre Wunden gesalbt und ringsum wieder mit Fliegenmittel eingesprüht. Im Nieselregen erreichen wir Pont du Montvert, ein kleines Steinstädtchen zwischen Flüssen und Felsen. Kaum Platz, um unser Muli irgendwo anzubinden. Viel gibt es hier nicht. Eine Bäckerei, eine Metzgerei, Samstagmorgen-Einkauf-Hektik und viel zu viele Autos. Versteckt zwischen zwei Steinhäuschen steigt nun der Weg steil an. Innert Kürze können wir von oben auf die Dächer hinunterschauen. Nun sehen wir auch die drei berühmten Brücken dieses Städtchens. Bald kommt dichter Nebel auf. Wir sind froh, ist der alte Maultierpfad so gut erhalten, so können wir den Weg nicht verfehlen. Überrascht erreichen wir eine Hochebene, beissender Wind jagt Nebelschwaden über die weiten Kuhweiden. Erste Tropfen fallen. Ein Blick auf die Wanderkarte lässt uns erschauern: Stundenlang auf einem Gratweg dem ganzen Bergrücken entlang. Dazu sollten wir auch noch durch eine Weide mit freilaufenden Pferden. Und das bei diesem Wetter! So ändern wir spontan unsere Route und wählen ein kleines Strässchen im Wald. Zwar ohne Aussicht, dafür aber vor Wind und Wetter geschützt. Stundenlang zieht sich der Weg dahin, überall parkierte Autos der Pilzsammler. Gleichmässig tönen die Hufe von Djamila auf dem Asphalt. Wieder einmal ein Kontrollblick nach hinten: Die Ärmste, wie lange trägt sie das Gepäck wohl schon am Bauch hängend? Es gibt eine kurze Zwangspause: Neu packen. Bald schon sehen wir den ersten Marroni-Baum auf unserer Reise. Da holen uns wieder die zwei französischen Wanderer ein, die eigentlich weit vor uns hätten sein sollen, sie sind in Eile, denn sie hatten sich verlaufen und haben in Florac ein Hotelzimmer reserviert. Wir dagegen beenden unsere Tagesetappe schon bald in einem Kastanienhain. Kaum haben wir den Weidezaun und das Zelt aufgestellt, besucht uns ein französisches Ehepaar. Sie sind die Besitzer dieses Platzes und freuen sich sehr über uns. Das kleine Steinhäuschen habe früher zum Trocknen der Kastanien gedient, nun stehe es leider leer. Bevor sie wieder gehen, warnen sie uns noch vor dem aggressiven Bienenvolk, das in einem der hohlen Baumstämme wohnt. So geniessen wir den Abend, sättigen uns an frisch gebratenen Marroni und kriechen bei einbrechender Dunkelheit in unser Zelt. Kurz darauf ertönt in den Baumwipfeln direkt über unserem Zelt der Ruf eines Käuzchens, das zur Jagd aufbricht. Dann ist es ruhig, bis in der Morgendämmerung das Käuzchen wieder zu seinem Schlafplatz zurückkehrt.
Sonntag, den 1. Oktober
Heute ist Sonntag, wir wollen nach Florac, der Hauptstadt der Cevennen, uns einen schönen Tag machen, quasi eine Ruhepause. Das Wetter ist wieder besser, dasFlusstal atemberaubend schön und die ersten wilden Feigen versüssen uns den Morgen. Der Campingplatz in Florac ist geschlossen, der kleine Einkaufsladen ist zum Glück aber geöffnet. Leider finden wir keinen geeigneten Platz zum Übernachten und ziehen zur Stadt hinaus, überqueren eine filigran geschwungene Steinbrücke und entdecken ein hölzernes Schild: Gîte d’Etape, Ferme biologique à 3 km. Dies bedeutet eine Stunde laufen, und zwar bergauf und alles entgegen unserer Reiseroute. Was, wenn sie gar nicht geöffnet hat? Eine vorbeifahrende Automobilistin kann uns darauf zwar keine Antwort geben, sagt aber, dass der zuständige Bauer das ganze Jahr dort lebe. So wandern wir hoffnungsvoll bergauf. Der Weg ist übersät mit Kastanien, frisch glänzenden neben zerdrückten. Nach einer Stunde entdecken wir dicke Schweine, die gemütlich ihre Suppe aus einem alten Boot schlürfen. Dann springt ein freundlicher Hund an uns hoch, ein zweiter winselt an einer Kette. Nun stehen wir etwas scheu vor dem alten Gehöft, das vollständig aus Stein in den Fels gebaut ist. Franziska wagt sich in einen dunklen Eingang hinein und verschwindet. Zehn Minuten später hat Djamila eine riesige Weide bekommen und wir stehen in einem Zimmer, das uns an den Ballenberg erinnert, uralt, mit zwei hohen Betten, knorrigem Holzfussboden. Im Keller befindet sich eine Dusche, direkt in den Fels gehauen. Euphorisch waschen wir sofort alle schmutzige Wäsche, doch leider beginnt es zu regnen. So tragen wir in den nächsten Tagen auch noch nasse Wäsche mit uns herum. Danach haben wir noch genug Zeit, um Haus und Hof zu besichtigen. Die alten Ställe sind im ursprünglichen Zustand belassen und mit alten Geräten ausgestattet. Im neuen grossen Ziegenstall sind viele hustende Gizi eingesperrt: Bestimmt haben sie Lungenwürmer. Um 20.00 Uhr werden wir zum Nachtessen in eine grosse Steinhalle gerufen. Auf der einen Seite thront ein riesiges Cheminée, ganze Schweine werden hier gebraten. Auf einem grossen Holztisch stehen selbstgemachte Köstlichkeiten, Kastanienblütensirup und Holunderblütensekt. Nach vielen Gängen und einem interessanten Gespräch legen wir uns müde und zufrieden in unsere Grossmutterbetten und träumen von vergangenen Tagen in alten Häusern, als man noch mit dem Maultier reiste...
Montag, den 2. Oktober
Ziegenmilchbutter mit Feigenkonfitüre, ein interessantes Morgenessen erwartet uns heute. Djamila freut sich auch und kommt uns auf der riesigen Wiese entgegengerannt. Inzwischen sitzen alle Handgriffe beim Bepacken der geduldigen Djamila, so dass wir innert 10 Minuten startbereit sind. (Das vorherige Verpacken des Materials in die Packsäcke braucht meist mehr Zeit!) Bei idealem Wanderwetter benutzen wir eine mit dem Bagger neu angelegte Strasse zur Nachbarsalp und von da an geht’s talwärts. So verlieren wir kaum Zeit und erreichen unsere Wanderroute etwas südlicher wieder. Heute soll der Weg durch den Nationalpark verlaufen, wir sind gespannt. Zuerst wandern wir stundenlang durch ein wildes Flusstal, auf einem gemütlichen Weg, mit vielen Viadukten und dunklen Tunnels: eine alte, stillgelegt Eisenbahnlinie. Bis am Mittag sind wir schon ziemlich weit vorangekommen. Franziska hat nasse Schuhe, ihre Füsse schmerzen. Zwei Stunden Pause tun gut, Proviant haben wir auch noch genug. Kurz vor Cassagnas steigt der Weg wieder an, hinauf zum Col de la Pierre Plant, Doch Djamila will plötzlich nicht mehr, ich muss sie fast zu jedem Schritt zwingen. Warum widersetzt sie sich? 10 Minuten lang kommen wir kaum vorwärts. Plötzlich hören wir es auch: Drei röhrende Hirsche, und wir mittendrin! Den einen hören wir sehr laut, er muss ganz nahe sein. Uns läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Zum Glück macht der Weg eine Kurve von den Hirschen weg, Djamila wird ganz schnell, nur weg von hier. Einmal vorbei, läuft sie wieder stundenlang im gewohnten Tempo. Leider ist die Passhöhe in dichten Nebel gehüllt, den Menhir (Pierre plantée) finden wir dennoch. Zum Glück wachsen hier in Wald überall wilde Apfelbäume, so kommen wir immer wieder in Genuss frischer Äpfel. Auf einer Forststrasse steigen wir wieder ab Richtung „Saint Germain de Calberte“. Hier soll es eine „Gîte équestre“ geben: Ein riesiges Feriendorf, gespenstisch leer. In einem Paddock kauen drei edle Pferde an einem frischen Heuhaufen. Nirgends ist einen Menschenseele zu sehen. Alles ist verriegelt und verlassen. Wer aber hat die Pferde gefüttert? Niedergeschlagen wollen wir weiterziehen, da steigen zwei Männer aus einem Auto und bringen Kisten in eines der verschlossenen Häuser. Sie hören sich unsere Geschichte an. Dann ein lauter Seufzer: „Mein Gott, warum schickst du die Leute immer an meinem einzigen freien Tag?“ Dann gibt er uns folgende Anweisung: Der Stall sei offen, alle Boxen leer, Heu und Stroh vorhanden. Er führe hier nur das heute geschlossene Hotel, alles andere sei über den Winter geschlossen. So kommt es, dass wir mit frischem Stroh eine Box für Djamila und daneben eine für uns einstreuen. Für Djamila gibt es dazu einen Arm voll duftendes französisches Heu und ein wenig Kraftfutter. Schon bald trommelt der Regen aufs Dach, genau das richtige Wetter für eine dicke Erdkröte, die durchs grosse Stalltor in die dunkle Nacht hinauskriecht. Wir erwärmen uns mit heisser Suppe und frischen Marroni. Wie ist es doch schön, in unsere Schlafsäcke zu kriechen, das weiche Strohbett, das zufriedene Kauen von Djamila. Die Hündin Ronja schnarcht bereits zufrieden, halb vergraben in ihrem Strohbett.
Dienstag, den 3. Oktober
Bange werfen wir den ersten Blick in den grauen Morgen: Alles glänzt und tropft. Ohne Morgenessen räumen wir unser Nachtlager wieder auf und packen alles auf Djamila. Zuletzt spannen wir eine grosse Plastikplane darüber. Die ersten Schritte im Regen, ein starker Windstoss fährt unter Djamilas Gepäck, laut knatternd bläst sich die Plastikplane zu einem blauen Ungeheuer aus. Djamila kümmert’s kaum, sie will einfach nur weiter. Eine kurze Pause in einem Café: Ja, es bleibt wahrscheinlich die ganze Woche schlechtes Wetter. Das Brot wird uns in einer Bäckerei extra gut in Plastik verpackt, so ziehen wir weiter, der Regen lässt bald etwas nach und der Weg ist gut, geht vorbei an wunderschönen terrassierten ehemaligen Gärten und versteckten Gehöften. Wie wir später erfahren, war das Gebiet um St. Germain ein Überlebens- und Zufluchtsort für Juden während des zweiten Weltkriegs. Langsam geht’s zum Gardon-Fluss hinunter. Da wird es plötzlich dunkel, ein Wolkenbruch ergiesst sich über uns. Djamila sieht aus wie der sprichwörtlich begossene Pudel und uns geht es nicht viel besser. Unsere Füsse schwimmen in den Wanderschuhen. Orkanartige Böen brechen grosse Äste von den Bäumen. So suchen wir im nächsten Dorf, St. Etienne, verzweifelt eine Unterkunft, obwohl erst Mittag ist. Dreimal durchlaufen wir das ganze Dorf, viele Hinweise aus der Bevölkerung, aber entweder ist alles belegt oder sowieso nicht geöffnet. Ziemlich mutlos bestellen wir in einem Restaurant einen Salatteller. Einkaufsmöglichkeiten gibt es keine. Da brechen die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und mit ihnen kehrt auch unsere Wanderlust zurück. Jetzt erst recht. Wir vergessen unsere aufgeweichten Füsse und beginnen den Aufstieg zum Col de St. Pierre. Der Weg führt über den in Fels gehauenen alten Säumerweg, der noch triefend nass in der Sonne glänzt. Abschnittweise liegen Kastanien auf dem Weg, das Werk des morgendlichen Sturmes. Leider wurde zu Gunsten der neuen Autostrasse, welche wir auf der Passhöhe erreichen, der alte Saumpfad zerstört. Stirnrunzeln über den Ersatz, der geschaffen wurde: Der Wegweiser zeigt einen schmalen, fast senkrecht abfallenden Felskännel hinunter. Djamila braucht etliche Anläufe, bis sie sich endlich hinunterwagt. Die Belohnung aus dem Rucksack bleibt nicht aus. Wir freuen uns, wie sorgfältig sie über riesige Felsstufen hinunterklettert. So hätten wir uns unsere Reise nie vorzustellen gewagt. Trotz des guten Gelingens sind wir alle froh, als wir wieder den alten, mit Steinmäuerchen gesäumten Saumpfad erreichen. Beschwingt geht es weiter bis zu einem zauberhaften Rastplätzchen: Ein altes Steinhäuschen, saftiges Gras, ein Wasserspeicher voller Forellen, doch leider: Proprieté privé. Das Verbot missachtend gönnen wir uns doch eine Pause und widmen uns den geschundenen Füssen. Es ist das erste Mal, dass wir uns nicht sofort um Djamila kümmern, und schon wälzt sie sich samt Gepäck am Boden. Lange wird unsere Pause nicht, wollen wir doch noch bis St. Jean du Gard. Schon bald erreichen wir die ersten Häuschen am Ufer des Gardon. Doch bis ins Stadtzentrum ist der Weg noch weit. Am Rande der Hauptstrasse trottend, lassen wir die Autos vorbeirasen, überqueren eine alte Steinbrücke, gewähren zwei Feuerwehrautos mit Sirene den Vortritt. Djamila bleibt total ruhig. So erreichen wir endlich unser Hotel, mitten im Zentrum. Der Hoteldirektor freut sich über unsere Ankunft. Franziska bezieht mit Ronja und dem Gepäck unser Zimmer. Dies täte auch meinen wunden Füssen gut. Aber Djamila steht draussen am grossen Eisentor angebunden zwischen Ratshaus und Einkaufszentrum. Der Hoteldirektor will uns persönlich zu seinem Freund begleiten, dort habe es viel Platz für Djamila. So trottet bald eine seltsame Karawane durch die Strassen zur Stadt hinaus. Zuvorderst der edle Hoteldirektor mit frisch polierten Lackschuhen und in einem feinen Anzug, dicht dahinter versuche ich humpelnd schrittzuhalten. Am letzten Ende des langen Führseils schlendert Djamila hintendrein. Am Ziel angelangt, entpuppt sich der Freund des Hoteldirektors als Ziegenbauer. Lange wird begrüsst und beraten, wo es unser Maultier wohl am besten hätte. Aus dem Gespräch entnehme ich, dass sich beide fürchten, Djamila in Hörweite anderer Esel unterzubringen, da sei keine Einzäunung stark genug. So machen wir uns nochmals auf den Weg zu einer entfernten Weide. Zuvorderst immer noch der gut gelaunte Direktor. Schlussendlich bekommt Djamila einen alten Schafstall mit einer an Ketten aufgehängten Futterraufe, bis oben voll mit gutem Heu. Djamila gefällt es gar nicht, so allein, sie will mit mir zurück. Immer wieder tauchen ihre geweiteten Nüstern über der Bretterwand auf. Ihr heiseres Wiehern zerreist mir fast das Herz. So lange waren wir nun zusammen. Der Hoteldirektor bestellt seine Cousine mit dem Auto, sonst hätte ich den Rückweg wohl nicht mehr geschafft. Zu müde um noch auszugehen, verschlingen wir in unserem Zimmer eine Pizza „à la bergère“, mit frischem Schafkäse.
Mittwoch, den 4. Oktober
Nach einem ausgiebigen Frühstück zieht es uns sofort zu Djamila. Wir dürfen sie über Tag auf die riesige Weide lassen. Mit Freude entdeckt sie drei Esel auf einer direkt angrenzenden Weide. Von deren Existenz wusste der Ziegenbauer wohl nichts! Doch entgegen seiner Befürchtungen geht alles gut. So verbringen wir den sonnigen Vormittag bei Djamila und am Ufer des angrenzenden Flusses Gardon, beobachten Eisvögel und Seidenreiher, während wir wilde Feigen und Trauben essen: Südfrankreich pur. Am Mittag reise ich mit Bus und Zug über Alès zurück nach Langogne, suche dort unser Auto und fahre zurück. Franziska und Ronja wollten eigentlich auch mitkommen, doch ohne Maulkorb darf Ronja nicht in den Bus einsteigen.
Donnerstag, den 5. Oktober
Heute gönnen wir uns allen einen Ferientag. Mit Djamila im Anhänger reisen wir ein paar Kilometer zurück, dorthin, wo wir so feine Kastanien gesehen haben. Djamila geniesst die frischen Kräuter und beobachtet interessiert unsere emsige Kastaniensammlerei. Wir können sie frei mitlaufen lassen, so sehr hat sie sich an uns gewöhnt. Am Abend ist das Hotelrestaurant geöffnet und wir geniessen ein typisch französisches Dîner in mehreren Gängen, während wir die ausgetretenen Wanderschuhe unter dem Tisch etwas zu verstecken versuchen.
Freitag, den 6. Oktober
Um sechs Uhr Morgens verladen wir Djamila in den Anhänger. Ob sie sich freut, wieder heimzukehren? Es soll 12 Stunden dauern, bis sie zu Hause wieder aus ihrem Transportvehikel steigen kann. Die Reise verläuft ohne Zwischenfälle, ebenso die Zollabfertigung. Wieder wollen die Zöllner nur das Carnet ATA sehen. Diesmal fragen sie allerdings noch nach der Autonummer. Djamila geniesst es, bei allen Zwischenhalten etwas Gutes zugesteckt zu bekommen, Karotten, Äpfel oder Belohnungswürfel. Ihr Heunetz ist auch immer gut gefüllt. Sehr enttäuscht ist sie jedoch, dass zuhause der Stall leer ist...!
Samstag, den 7. Oktober
Wir stehen früh auf, wir müssen heute unsere Esel zurückholen. Zuerst den Anhänger reinigen. Also, Klappe runter und Eimer holen. Da will Djamila schon einsteigen. „Nein, heute darfst du nicht mit!“ Wir freuen uns aber, zu sehen, dass sie nach der langen Fahrt die Freude am Reisen nicht verloren hat. Lara, Momo, Caesar und Sina treffen wir pudelwohl an ihrem Ferienplatz. Die Rückkehr verläuft problemlos, Djamila freut sich riesig übers Wiedersehen. Ob wir auf die nächste Reise nicht doch ihre ganze Herde mitnehmen könnten...?
Monat Jahr, Bruno Lötscher
Ich heisse Marika Mosimann-Tanner. Wir wohnen in einem Bauernhaus mit Laufstall, befestigtem Auslauf und Weiden in Uetliburg/SG. Zur Zeit bin ich auf Stellensuche und Studentin der Tierhomöopathie.
Seit dem 19. April ist Paschi, ein 17-jähriger Maulesel, bei uns. Vorher war er im Cirkus Knie und im Kinderzoo. Mein Mann ist dort Ponychef. Als ein neuer Platz für Paschi gesucht wurde, konnte ich ihn überzeugen, dass ich gerne für Paschi sorgen würde.
Mit mir leben mein Mann Roland, Luna, eine 6-jährige Belgisch-SchäferXAppenzeller-Hündin, Django, ein 4-jährigr LeonbergerXCollie-Rüde, 2 Pflegeponys, Meerschweinchen und Hasen.
Ich beschäftige mich halb hobbymässig und halb beruflich mit dem Muli. Da ich ja Homöopathie mache und der Muli ein Schläger und Beisser ist, kann ich meiner "Arbeit" mit ihm auch homöopathisch "nachhelfen".
Pro Tag bin ich rund 3 Stunden im Stall, um ihn mit mir vertraut zu machen (Vertrauen aufbauen). Ein Tagesablauf sieht dann etwa so aus:
Morgens 5.45 Uhr bekommt er das erste Futter (Cavalino), 9.00 Uhr ein wenig Heu oder Gras, 14.00 Uhr Heu oder Karotten,18.00 Uhr Heu oder Maisflocken, 21.30 Uhr Heu. – Es kann natürlich auch mal vorkommen, dass es nicht genau diese Zeiten sind.
Im Moment mache ich mit Paschi "nur" Vertrauensübungen oder wir spazieren miteinander. Ansonsten ist er mit den Ponys entweder im Laufstall oder auf der Weide. Später möchte ich gerne fahren und reiten mit ihm.
Ich mag besonders an ihm, dass er sehr Intelligent ist und ich mich richtig ins Zeug legen muss, damit ein Erfolg sichtbar wird. Das mache ich sehr gerne und glücklicherweise habe ich auch die Geduld dazu. Ich würde ein Muli niemandem empfehlen, der keine Geduld aufbringen kann und schnell ein Ziel erreichen will.
Ob und wie Paschi mein Leben verändert, weiss ich noch nicht. Aber wenn ich bei ihm im Stall oder Auslauf bin, ist es für mich etwas Tolles und ich bin ruhiger als sonst.
Auf die IGM wurde ich durch „googeln“ im Internet aufmerksam. Da ich ja den Wunsch nach einem Muli schon vorher hatte, habe ich mich im Vorfeld über verschiedene Sachen informieren wollen.
Marika Mosimann Tanner
Gemeinsam mit meinem Partner, unseren beiden Kindern und zwei Maultieren leben wir im Seeland. Die Mulis können wir in einem Freilaufstall in ländlicher Umgebung halten.
Meine ersten Erfahrungen mit Maultieren sind auf ein unverfängliches Inserat von Regina Stucki zurückzuführen. So konnte ich vor einigen Jahren im Coop lesen, dass eine Stallhilfe gesucht wird. Als Gegenleistung fürs Misten wurde Reiten angeboten. Das war für mich die Gelegenheit, meine alten Reitstiefel im Keller auszugraben und anzurufen. Interessiert nahm ich zur Kenntnis, dass es sich nicht um ein Pferd, sondern ein Maultier handelt. Ein Ausritt mit Flicka war anfänglich mit viel Anstrengung und Körpereinsatz verbunden. Der Vorwärtsgang war äusserst schwer zu finden, ziehen und schleppen war angesagt, etwas rassiger ging es rückwärts, aber nur bis zum Stall – und trotzdem habe ich mich mit dem „Mulivirus“ infiziert. Im Frühling 1999 habe ich mir die Verkaufstiere in Visp bei Marco Gentinetta genau angeschaut und dabei mein Maultier August entdeckt. Als „dubelisicher“ hat ihn Marco bezeichnet, darauf habe ich mich mit meinen beschränkten Maultierkenntnissen verlassen. Mittlerweile habe ich 2 Freibergermaultiere: August, Jg. 1991, aus dem Wallis, und den Emmentaler Ibrahim, Jg. 2002, gezüchtet von Ueli Weber.
Die Mulis sind für mich ein wichtiger Ausgleich und Erholung zum Berufs- und Familienalltag. Allerdings ist der Zeitaufwand beachtlich. Üblicherweise sage ich 3-mal täglich „Ich bin 5 Minuten im Stall“. Mein Partner würde bei dieser Interviewfrage eine genauere Berechnung machen und vermutlich auf 1 bis 2 Stunden kommen. Gerade als die Kinder noch sehr klein waren und mein Partner während meiner Mulizeit die Kinderbetreuung übernehmen musste, war die Organisation fürs tägliche Misten und die Beschäftigung mit den Tieren nicht einfach und forderte viel Entgegenkommen. Seit 2003 wohnen wir in Tschugg und sind in der glücklichen Lage, die Tiere zu Hause halten zu können, das erleichtert vieles. Mit zunehmendem Alter können die Kinder vermehrt einbezogen werden.
Am liebsten bin ich im Gelände unterwegs. Hier im Seeland rund um den Jolimont ist das Reitgebiet sehr schön. Wie erwähnt, konnte ich anfänglich nicht immer gemütliche Ausritte geniessen. August beteiligte sich bei der Tempo- und Routenwahl mehr, als mir lieb war. Das änderte erst, als Regina und ich Adrian Heinen mit seinem Maultier an einer Parelli-Veranstaltung getroffen haben. Er hat uns hilfreiche Hinweise gegeben und in verschiedenen Kursen gezeigt, wie wir unser Zusammenleben mit den Mulis einfacher und sicherer gestalten können. Mit meinem Maultier Ibrahim hat er an der BEA 2006 eindrücklich demonstriert wie er mit jungen Tieren arbeitet. Ich bin froh, dass Ibrahim eineinhalb Jahre später deutlich gelassener ist und sich zu einem zuverlässiges Reittier entwickelt.
Was mir an den Maultieren besonders gefällt, sind selbstverständlich die langen Ohren und die mickrige Mähne. Ein Kind hat mich darauf hingewiesen, dass die Mulis nicht Maul- sondern Ohrentiere heissen sollten. Für mich ist es schön etwas zu haben, wofür ich mich begeistern kann. Zugegeben, Leute mit weniger Mulileidenschaft mag mein Lieblingsthema manchmal wohl etwas langweilen.
Das Halten eines Maultiers ist nicht allen zu empfehlen. Wer über sich lachen und Geduld aufbringen kann, hat meines Erachtens gute Voraussetzungen. Je nach Muliwissen und Reitkönnen braucht es Zeit bis etwas gelingt. Mir ist es mit August erst nach Jahren möglich, einen gemütlichen Galopp auf einem Reitplatz zu machen. Wer keine Reiterfahrung hat, sollte sich nicht vom treuherzigen Muliblick täuschen lassen. Ein Muli hat viel Kraft und kann sich genau so rasch fortbewegen wie ein Pferd. Das Hobby ist zeitintensiv und mit beachtlichen Kosten für Stall, Futter, Hufpflege und Tierarzt verbunden. Zudem sollte man wetterfest sein, neben Ausritten während herrlich warmen, insektenlosen Tagen, haben die Mulis bei jedem Wetter Hunger, und auch die Verdauung ist nicht abhängig vom Sonnenschein.
Ein besonderes Erlebnis hatte ich im Sommer 06. Regina Stucki und ich haben eine erste dreitägige Mutter-Tochter-Tour im Jura unternommen. Gemeinsam mit unseren Töchtern Thea und Lena haben wir den Aufstieg auf den Chasseral bewältigt. Bei Toni Krähenbühl in Près d’Orvin haben wir nach dem ersten anstrengenden Tag, der von Lamboing über den Mont Sujet geführt hatte, ein herrliches Abendessen genossen und unter dem freien Sternenhimmel übernachtet.
Die 2. Etappe war für uns wandernde Mütter bei der Sommerhitze anstrengend, trotzdem sind wir tapfer marschiert. Und erst als sich Thea im Sattel über die langsame Gangart und den fehlenden Reitwind beklagte, haben wir einen sofortigen Tausch der Sitzplätze angedroht.
Übernachtet haben wir unterhalb des Chasserals in der Métairie Dombresson und sind am dritten Tag nach Lamboing zurückgekehrt.
Die IGM habe ich über das Mitteilungsblatt kennen gelernt. Es war für mich eine gute Informationsquelle und hat den Ausschlag gegeben, dass ich dem Verein beigetreten bin. Mit der Wahl in den Vorstand vor sechs Jahren hat sich die Arbeit rund um Muli intensiviert, mich aber auch mit Erfahrungen und Freundschaften bereichert.
November 2007, Kathrin Mühlemann
Ich konnte sie weder am Bauch noch an den Beinen berühren, geschweige denn ihre Hufe anheben. Die Verkäuferin von Opal erzählte mir, dass der frühere Besitzer sie sehr schlecht behandelt hat. Wenn der Hufschmied gekommen sei, habe man sie brutal auf den Boden gezerrt, weshalb ich mir gut erklären konnte, warum sich Opal die Hufe nicht anschauen lassen wollte. Ich war mir nicht sicher ob ich es schaffen konnte sie auszubilden. Es gab Zeiten, da hatte ich echte Zweifel. Ich fand jedoch schnell heraus, dass Opal einen sehr lieben Charakter hatte, was mir Hoffnung gab sie auf den rechten Weg bringen zu können, trotz ihrer misslichen Vergangenheit. Also begann ich langsam ihr Halfter und Zaumzeug anziehen, legte zuerst ein Decke, später auch einen Sattel auf. Mit viel Geduld und einsetzen „meines Ersatznervs“ wurde Opal immer zutraulicher und bald schon folgte sie mir freiwillig überall hin.
In meiner Nachbarschaft hatte es ein Viereck, das ich jederzeit mieten konnte. Mit einer Klassenkameradin begann ich mit der Bodenarbeit, welche Opal gut mitmachte ohne zu zögern. Nach ca. zwei Monaten konnte ich das erste Mal auf Opal sitzen, sie war ganz lieb und blieb ruhig stehen. Ein „Meilenstein“, welcher mir tief unter die Haut ging! Nach ca. zwei weiteren Wochen konnte ich das erste Mal die Zügel an die Trense binden und umher reiten. Schritt und Trab waren von allem Anfang an kein Problem. Beim Galopp gab es Schwierigkeiten, sie war einfach zu schnell, ich konnte sie nicht zurückhalten. Durch stetiges Trainieren klappte jedoch schliesslich auch das. Im Frühling 2008, nahmen wir das erste Mal an einem Patrouillenritt teil und konnten auf anhieb den zwölften Platz erreichen.
Eine grosse Leidenschaft von Opal ist das Springen. Scheinbar mühelos hebt sie ab und man spürt wie sie das gerne macht. Bedingt durch all die Strapazen, Schwierigkeiten aber auch erfreuliche Momente, die wir zusammen durchgegangen sind, haben Opal und ich eine tiefe Freundschaft zueinander entwickelt. Die Zeit, die wir zusammen verbringen können, geniesse ich von ganzem Herzen. Ich hoffe, dass wir zwei noch lange zusammen „über Stock und Stein“ reiten können und wir noch viele schöne Erlebnisse zusammen verbringen können.
Februar 2009, Sandra Röthlisberger
Ich heisse Rust Mirjam und wohne in Wikon. Unsere Schlosshof- Ranch ist eine kleine abgelegene Reitschule mit Eseln und Maultier Edi/ Schumi. Ich bin gelernte Pferdepflegerin.
Edi/Schumi ist 12 Jahre jung. Ich habe ihn von meinem Bruder bekommen, welcher ihn vom Militär hatte. Im Frühjahr 2014 möchte ich mit Edi ebenfalls in den Dienst.
Zu Edi gehören noch Grossesel Cico (Springesel), französischer Minion Ping-Pong und ein italienischer Minion Fjodor-Galopin (auf norwegisch: kleiner Strolch). Wir, die Familie Rust und die zahlreichen Reitschüler, welche die Schlosshof- Ranch und ihre Bewohner immer besuchen, gehören natürlich mit dazu.
Im Reitbetrieb beschäftige ich mich mit dem Maultier, den Eseln und Pferden. Die Esel habe ich selber zugeritten. Edi hatte eine Grundausbildung bekommen, aber keine Kenntnisse als Reittier und somit habe ich diese Ausbildung auch bei ihm übernommen.
Meine Tiere bestimmen den Tagesablauf:
Am Morgen um 8.00 Uhr werden die Tiere gefüttert. Nach einer Stunde Fresszeit werden draussen kleine Heuhäufchen verteilt und die Tiere hinaus gelassen. Die Stallarbeit dauert dann rund 2 Std. Nachher werden die Boxen zu einem Laufstall umfunktioniert.
Am Mittag brauche ich ungefähr 30 Min. fürs Bollen jagen, füttern und tränken. Abends um 17.00 Uhr heisst es wieder für rund 2 Std. in den Stall. Nachher kommen die Tiere über Nacht in ihre Boxen. Eine regelmässige Fütterung um 8.00 Uhr, 12.00 Uhr und 18.00 Uhr ist mir wichtig, da die Tiere ja eine innere Uhr haben.
Je nach Wetter herrscht morgens oder nachmittags Reitschulbetrieb. Die Tiere sind dann im Reitunterricht, welcher ich erteile oder werden von anderen spazieren geführt. In der freien Zeit reite ich selber aus. Edi geht gerne Querbeet durch den Wald oder mit Cico an einen Patroulienritt. An freien Tagen geniesst er den Weidegang mit den anderen drei Langohren. Cico macht gerne Kunststücke, wo Edi doch lieber zuschaut. An Sonntagen gibt es gemütliche Ausritte von 3-5 Std. mit Einkehr in eine Beiz, welche für beide entspannend ist…
Edi ist stur und hat seinen eigenen Kopf, doch wenn man ihn braucht, ist er immer da. Für Anfänger ist er wie ein Pony, lieb, brav und knuddelig. Für die Fortgeschrittenen jedoch eine Herausforderung. Im Vergleich zu einem Pferd ist er trittsicherer und stärker. Im Herzen „trägt“ er Esel. Ich würde ein Maultier niemanden empfehlen, denn es sucht einem selber aus… und wenn, dann nur jenen Leuten, die selber etwas Muli sind.
Die Tiere bedeuten einen grossen Aufwand, womit natürlich für mich weniger Zeit bleibt. Doch diese bin ich gerne bereit zu opfern, denn irgendwann werde ich es auf einem Trekking geniessen können. Zudem gibt es immer neues und spannendes mit den Tieren zu erleben. Edi als Militärmuli fährt total auf Marsch Musik ab. So stand er einmal eine CD-Länge vor dem Stallfenster in 8-ung Stellung und hörte zu!
Mai 2014, Mirjam Rust
Mein Maultier heisst Ascon und ist ein Importmuli aus Frankreich. Ich hatte sie eigentlich nur für einen Trekk-Sommer bei Marco Gentinetta ausgeliehen.
Ihre schönen Gänge und die so genannte Liebe auf den zweiten Blick haben dazu geführt, dass Ascon mein Muli geworden und geblieben ist. Ascon lebt mit zwei weiteren Mulis und einem sardischen Esel zusammen. Die Tiere gehören zur Familie und werden abwechslungsweise von allen betreut und gefüttert. Zuweilen sind sie unterbeschäftigt und stehen mehr zur Dekoration ums Haus herum ... Alleine das Betreuen, d.h. füttern und putzen braucht täglich mindestens 2,5 Std. Alles was darüber ist, sind die wundervollen Stunden, in denen wir gemeinsam etwas unternehmen. Von einer viermaligen Fütterung sind wir vor zwei Jahren auf dreimaliges Füttern umgestiegen. ich finde aber wichtig, dass sie genügend Nagezeug erhalten, d.h. grobe Äste. Im Winter erhalten sie täglich Futterrüebli, Mineralsalz steht immer zur Verfügung. Am liebsten reite ich mit anderen Mulireiterinnen zusammen über die Jurahöhen. Fahren ist mit Ascon eher ein riskantes Unterfangen... hat sie doch ziemliche Narben, die von einem Hintergeschirr herrühren. Ascon hat mit mir das Reiterbrevet bestanden, darauf sind wir immer noch ein bisschen stolz. Ganz besonders mag ich an meinem Tier das Vertrauen, welches sie mir entgegenbringt und ihre butterweichen Gänge.
Ein Hauptgrund, ein Maultier zu halten, ist für mich die Trittsicherheit im Gelände und die Besonnenheit, welche vielen Mulis eigen ist, und ihre Fähigkeit, Vorlieben kundzutun und Beziehungen einzugehen. Ehrgeizigen Reitern, welche aus dem Muli ein „Pferd“ machen wollen, würde ich eher abraten ein Muli zu halten. Jeder, der bereit ist, sich auf den gemeinsamen Weg mit einem Muli zu machen (und der kann lang sein), der wird unschätzbare Abenteuer erleben.
Auf Wanderschaft Nach einer Rückenoperation hatte ich eigentlich das Kapitel Reiten abgeschlossen. Dass ich ein so tolles Reittier, wie mein Muli Ascon eines ist, gefunden habe, war ein grosses Glück. Gemeinsam mit ihr habe ich viel Lebensqualität zurück gewonnen. Da in unserer Familie 3 Mulifans leben, lasten Arbeit und Präsenzzeit nicht auf einer Schulter alleine.
Eines meiner schönsten Erlebnisse mit Ascon war unsere Reise, die wir gemeinsam mit unseren Kindern Luzia und Severin unternommen haben. Die Esel Yasser und Miro und die Mulis Rosi und Ascon haben uns von Wimmis bis nach Saignelégier begleitet. (Für einen Bericht darüber reicht die Zeit momentan nicht aus.)
Auf die Interessengemeinschaft für das Maultier (IGM) wurde ich durch Peter Zwahlen aufmerksam. Vor nun ziemlich genau 15 Jahren haben wir unseren Esel Miro (damals hiess er noch Abdullah) bei Peter Zwahlen in Hünibach gekauft – muss ich noch mehr sagen? – Also, als wir ihm berichteten, dass wir auch auf der Suche nach einem guten Freiberger sind, hat er nicht mehr aufgehört, uns die Vorteile eines Maultieres aufzuzählen – mein Mann Peter konnte dem nichts mehr entgegenhalten und wir haben bei Marco Gentinetta unser Rosi gekauft.
April 2006, Adrienne Scheurer-Villet
Am 21. September 1925 kam Hugo im Hotel Tambo in Splügen Kt. Graubünden zur Welt. Mit seiner Mutter und dem Pflegvater, Kunstmaler Paul Schürch, wohnte er in Mesocco und Pian San Giacomo, dann 10 Jahre in San Bernardino, von da aus mit dem Postschlitten über den San Bernardino-Pass nach Hinterrhein und Splügen zur Schule! Hier hatte er guten Kontakt zum Postillon und Fuhrmann Georg Meuli mit den braunen Pferden, Herbst und Frühling genannt! Er lernte hier nicht nur den natürlichen Umgang mit Pferden, sondern hier entwickelte sich auch definitiv sein grosses Verständnis für die Natur.
Seine Freizeit und die Ferien verbrachte er mit Pferden, Maultieren (?) und Ziegen. Weitere Stationen in Hugos bewegter Jugend waren Beckenried, Sachseln (sein Schulfreund Toni Schäli stirbt bei einem schweren Skiunfall!), diverse Alpsommer, Unspunnen in Matten bei Interlaken, Niederried, früher Tod seines Pflegevaters, zu Fuss in die Unterweisung nach Niederried und Konfirmation.
Nach der Schulzeit im Winter als Knecht bei Bauern für das Grossvieh zuständig, im Sommer Bergheuen am Augstmatthorn! Dann im Winter mit dem Wildhüter unterwegs, im Sommer für 4 Familien auf der Alp Breitenboden. Dann: Auf den 30 und 40 km langen Märschen lernte er in der in der RS die Maultiere kennen. Mit nicht ganz 19 Jahren schliesst er die RS in der Festung St. Luziensteig ab.
1950 das Berführer-Brevet. An der Schweizerischn Bergsteigerschule Rosenlaui als Bergführer tätig. Über 20 Jahre Arbeit für Jugend und Sport beim Kanton Zürich! Im Winter als Pisten- und Rettungschef auf Lungern- Schönbühl und Schwefelberg.
Mit eigener Firma (zeitweise bis 4 Mitarbeiter) Felsräumungen für die Armee, BLS und SBB. 50 Jahre, weit übers Pensionsalter hinaus!
Lieber Hugo, von deiner Familie mit euren vier Kindern, von deiner Arbeit auf deinem schönen Bauernhof in Burgistein und auf deiner Alp über Brienzwyler hast du mir in deinen Notizen nichts geschrieben (Dein feiner Alpkäse gelangte bis in die CH-Botschaften nach Damaskus und Lissabon!) Weisst du noch, wie wir in Hofstetten in der Reitschule mit der IGM einen Bastkurs mit anschliessender Saumtier-Wanderung auf deine Alp organisierten?
Halt, fast hätte ich dein Engagement im Vorstand der IGM vergessen: Von 2001 bis 2006, und deine Frau Margrit von 2003 bis 2006 mit Herzblut und erfolgreich den Muliladen gemanagt!
Auf dem Ballenberg erfreut seit paar Jahren dein Muli "Georgo" die Besucher!
Lieber Hugo, wir wünschen dir weiterhin gute Gesundheit und weiter sehr viele Lesestunden im Sommer auf deiner Alp… Margrit wird dir wohl genügend Bücher hinaufbringen?
Deine Bergführer Tagebücher von 1959 bis 1981 mit Fotos, sind HIER zu bestaunen!
Ich heisse Felicitas Stähli und wohne mit Hansruedi Kissling zusammen auf einem Bauernhof in Suhr. Er ist Landwirt und arbeitet nebenbei in einer Baufirma im Kieswerk. Ich bin Berufsunteroffizier in der Schweizer Armee.
Unser Maultier Kalinka ist rund 18 Jahre alt. Sie ist ein sogenannter Weideunfall (Shetty x Esel). Sie gehörte meiner Schwester. Als sich unsere Eltern entschlossen, den Bauernbetrieb einzustellen und Kali weg gemusst hätte, hab ich sie ihr abgekauft. Sie soll bei mir alt werden. Bevor sie zu uns kam, war sie schon an so vielen verschiedenen Orten. Ich wollte einfach nicht, dass sie schon wieder weitergereicht wurde.
Kalinka teilte ihr Zuhause mit einem anderen Muli, einem Esel und einem Pony. Leider mussten wir das Muli nach einem Unfall einschläfern und der Esel zügelte auf eine Altersweide. So steht sie zur Zeit „nur“ mit dem Pony zusammen.
Bei uns auf dem Hof hat es aber noch 6 Pferde, 2 Hunde, 5 Katzen, 4 Minipigs und eine wechselnde Anzahl Rinder.
Das Maultier ist mein Hobby. Kalinka hilft mir, vom stressigen Alltag wegzukommen. Bei ihr kann ich abschalten. Wir machen Bodenarbeit und lange Spaziergänge. Sie kommt als Handmuli mit. Und sie ist – nicht negativ gemeint – Rasenmäher ums Haus.
Wie viel Zeit, ich mit ihr verbringe, ist ganz unterschiedlich. Im Sommer sind nur die 7 Pferdeboxen zu machen. Im Herbst und Frühling sind die Pferde, wenn es das Wetter zulässt, 24h auf der Weide. Und im Winter braucht’s etwas länger, weil die Rinder jetzt auch drinnen sind.
Gefüttert wird unterschiedlich. Bei schlechtem Wetter, wenn sie in den Boxen sind, füttern wir dreimal. Wenn sie draussen sind und es nicht so viel Gras hat, zweimal. Wenn im Sommer reichlich Gras vorhanden ist, sollen sie selber suchen. Mit den Zeiten sind wir flexibel. In der Wildnis gibt es auch nicht immer Punkt 12:00 Uhr zu essen. Die Tagesabläufe sind verschieden (witterungsabhängig). Wenn wir arbeiten, fangen wir im Stall um 05:30 Uhr an. Wochenende und Ferien kann’s schon mal 08:00 Uhr werden, oder später. Meistens ist Hansruedi im Stall und ich erledige die Hausarbeit. Jetzt im Winter machen wir den Stall am Wochenende meist zusammen, er die Rinder, ich die Pferde und Co.
Ich mag an Kali besonders, dass sie sehr selbständig ist. Sie denkt immer mit. Wenn man ihr mal etwas beigebracht hat, kann man es ihr auch nach einem Jahr ohne Üben wieder entlocken. Sie ist extrem lernfähig.
Ein besonderes Erlebnis hatte ich vor vier Wochen. Ich war im Dorf einkaufen. Beide Mulis mit Tragkörben ausgerüstet. Der Hauptstrasse entlang marschierten wir Richtung Dorfladen. Einige Autofahrer hatten unseretwegen beinahe Unfälle. Beim Volg angekommen, habe ich beide ans Treppengeländer gebunden und bin einkaufen gegangen. Als ich einladen wollte, fand ich vor lauter Kindern meine Mulis fast nicht mehr. Eine Verkäuferin kam dann auch noch mit zwei Äpfeln heraus. Zurück sind wir dann durchs Dorf auf Schleichwegen. Wollte ja nicht noch schuld an einem Unfall sein... Doch an dem Morgen waren wir die Attraktion.
Auf die Interessengemeinschaft für das Maultier, der wir nun beigetreten sind, wurde ich durch das Internet aufmerksam.
Felicitas Stähli
Ich heisse Thea, bin 11 Jahre alt, gehe in die fünfte Klasse und wohne im Berner Seeland in einem kleinen Bauerndorf. Unsere Familie wohnt in einem alten umgebauten Bauernhaus. Zur Familie gehören meine Eltern Marcel und Regina und mein Bruder Noah, die Katzen Lore und Jean-Claude, die Hühner Lona, Lina und Loni und ihr Güggel, der Leonardo O’Higgins; und dann natürlich unsere zwei Mulis. Die Mulis haben wir schon lange, das heisst meine Mama hat sie schon lange, der Papa ist nur halb begeistert von Ihnen.
Noirette, so heisst unser jüngeres Maultier, ist 14 Jahre alt, sie kommt ursprünglich aus dem Süden Europas und ich finde sie wunderschön. Gemeinsam mit meiner Freundin Lena und unseren beiden Müttern war ich 2006 mit Noirette auf meinem ersten mehrtägigen Trekking, das uns über den Chasseral führte.
Noirette ist ein vorsichtiges Muli, sie traut nicht allen und allem, sie ist auch das einzige Muli, das ich kenne, das immer schön gemütlich frisst und dabei auch mal eine Pause macht.
Eloise - sie wurde vor vielen Jahren von Marco Gentinetta aus Frankreich in die Schweiz geholt, sie ist etwa 22 Jahre alt. Sie ist mein Lieblingsmuli. Wir verstehen uns sehr gut und haben schon viel zusammen erlebt. Bereits mehrmals durften wir zusammen an der BEA dabei sein, das macht mir immer ganz viel Spass, Lena ist mit August jeweils auch dabei.
Eloise hat ganz weiche Gänge, sie kann auch im Pass laufen. Sie ist ganz fein zu dirigieren, reisst wirklich nie am Zügel (ausser wenn es am Wegrand einen saftigen Grasbüschel hat). Was sie überhaupt nicht mag, ist in einer Gruppe mit fremden Pferden oder Mulis zu sein. Dann fängt sie plötzlich ganz wild an zu bocken, das sieht sehr imposant aus. Ich weiss, dass sie, bevor sie zu uns kam, schon bei anderen Leuten war, die sie alle wieder an Marco zurück gegeben haben, weil sie die Reiter und Reiterinnen ratzeputz runtergeschmissen hat. Ich bin erst einmal runtergefallen, in einer Reithalle, dafür aber so richtig flach auf den Bauch geplatscht, das tat ziemlich weh. Mama sagt immer, dass Eloise zu mir viel netter ist als zu ihr, auch streckt sie die Ohren weniger nach hinten bei mir. Wir mögen uns eben sehr gut!
Vergangene Weihnachten bekam ich mein bisher tollstes Weihnachtsgeschenk. Mama schenkte mir Eloise, nun bin ich also Mulibesitzerin.
An zwei Tagen pro Woche habe ich Stalldienst, Montag und Freitag, das sind zwei von Reginas Arbeitstagen, da ist sie froh, wenn ich füttere und miste. Unsere Mulis kriegen vier Mahlzeiten am Tag, Heu und Stroh. Gerne fressen sie auch Rüebli oder Salat und manchmal, wenn es niemand bemerkt, bringe ich ihnen eine Birne oder sogar ein Stück Ananas aus der Küche mit, das mögen sie sehr. Oftmals können sie auch auf eine der vier Weiden, wobei sie da lieber fressen als rum zu springen.
Mein grösster Traum ist es, mit Eloise mal an einem Strand entlang zu galoppieren. Letztes Jahr waren Lena und ich mit unseren Müttern auf der Route du sel unterwegs, von der Schweiz aus zur Salzsaline in Salins les Bains. Und deshalb hat Eloise nun einen Reisepass nach Frankreich. Der ist noch bis 2013 gültig, wer weiss, vielleicht schaffen wir ja bis dann die Reise ans Meer.
Letzten Frühling absolvierte ich mit Eloise bei Carmen Zulauf das Level 1. Das hat Spass gemacht und gerne würde ich dieses Jahr das Level 2 abschliessen. Ob wir das schaffen – mal sehen, Eloise galoppiert nämlich nicht sehr gerne in der Halle.
Meine Freundinnen verstehen manchmal meine Mulibegeisterung nicht so ganz. Sie finden, ein Pferd mit wallender Mähne sieht viel schöner aus als meine Eloise, die beim Reiten oft die Zunge rausstreckt oder deren Bauch von hinten so dick aussieht. Wenn ich ihnen dann erzähle, dass Napoleon schon wusste, dass in brenzligen Situationen ein Muli viel verlässlicher ist, oder wenn sie erfahren, dass ich mit Eloise schon über die Gemmi ritt, dann staunen sogar sie.
Auf alle Fälle kann ich von Eloise noch viel lernen. Wir gehen zusammen durch dick und dünn und teilen uns sogar das Znüni.
März 2013, Thea Stucki